Digitalisierung und der Selbstbetrug bei Arbeitszeiten

Die digitale Revolution widerspricht sich in gewissen Punkten und dennoch findet sie jeden Tag statt. Der Prozess ist vergleichbar mit der Quantenphysik: Licht kommt sowohl als Teilchen als auch als Welle vor. Eigentlich kaum vorstellbar, dennoch ist es so. Da ich nur bedingt in dieser Materie bewandert bin, soll dieser bildliche Vergleich genügen.

Doch was will ich damit zum Ausdruck bringen? Meist werden die Vorteile der digitalen Veränderung gerne angenommen, aber die Gegebenheiten, die dadurch verändert werden, werden konsequent abgelehnt. Das funktioniert auf Dauer nicht. Die simple Erklärung: Jede Pflanzen- oder Baumart braucht ihren spezifischen Boden. Manche wachsen auf lehmigen Böden, andere benötigen trockenes Erdreich. Daran führt kein Weg vorbei! Schließlich kann man mit einer Pflanze nicht diskutieren, ob sie auf einem anderen Boden wachsen möchte, nur weil es dem Menschen in den Sinn kommt. Bekommt der Pflanze ein Standort nicht, wird sie nicht wachsen.

Ähnlich ist es in der modernen Arbeitswelt. Die ist nicht mehr auf das traditionell Wochentage-Modell beschränkt: Montag bis Freitag von „Nine-to-Five“ (9.00 bis 17.00 Uhr), 60 Minuten Mittagspause und freitags nur bis Mittag. Dieses Arbeitsmodell wird gerade in Österreich vehement verteidigt. Auf der anderen Seite freuen sich die Konsumenten (die im Prinzip die gleichen Personen sind, die täglich arbeiten gehen) über das beispielsweise 24-Stunden-Shoppen im Internet – am besten noch mit Wochenendlieferung inkl. feiertags. Dass für diesen Service aber ebenfalls Menschen arbeiten müssen, die nicht auf das klassische Arbeitszeitmodell zurückgreifen können und dafür ihr privates Leben anpassen müssen, ist dem Konsumenten schlußendlich gleich. Es gilt das Motto: Solange man es nicht sieht, passiert es auch nicht.

Ein generelles Umdenken in der Bevölkerung ist dringend nötig! Denn: Die klassischen Arbeitszeiten werden immer mehr verschwinden. Besonders durch das Nachrücken der Generation Y (Geburtenjahrgänge von 1990 bis 2010), die eine andere Mentalität und Lebensgewohnheiten mitbringen. Feste Zeiten, in denen gearbeitet wird, werden in vielen Berufen zu einer Gleitzeit wechseln. Nicht einmal der Ort der Arbeit wird von Bedeutung sein. Für einige Menschen ist das bereits heute real: Mal arbeitet jemand in China und 14 Tage später, bei der nächsten Konferenz via Skype, ist er beruflich auf Hawaii und geht nebenbei surfen. Währenddessen geht das zu bearbeitende Projekt voran, Arbeitsschritte werden mittels Cloud untereinander ausgetauscht und bevor das Projekt in die finale Phase erreicht, treffen sich die entscheidenden Personen in Berlin auf einen Kaffee zur persönlichen Besprechung der letzten Details.

Ebenfalls wird sich das klassische Wochenende vermehrt auflösen. Sicher wird es auch weiterhin zwei freie Tage in der Woche geben, die allerdings nicht grundsätzlich Samstag und Sonntag sein müssen. Es können ebenso Montag und Dienstag bzw. andere Kombinationen sein, wie es schon z.B. in den Bereichen Gastronomie oder Krankenhaus üblich ist. Möglich ist aber auch eine durchgehende Arbeitszeit von 14 Tagen, auf die vier Tage Freizeit folgen. Auch das ist Realität, beispielsweise auf Bohrinseln – einem Teil unserer wichtigen Energieversorgung. Wer annimmt, dass damit kein klassisches Familienleben mehr möglich ist, der irrt sich. Da alles eingeteilt und geplant werden muss, ergibt sich die Perspektive einer optimaleren Koordination – und es muss nicht wie gewohnt alles an einem Wochenende, in der Regel unter Stress, erledigt werden.

Natürlich wird dieser Wandel nicht in den nächsten 3 Wochen oder Monaten geschehen. Dieser Prozess wird sich langsam vollziehen, doch er wird sicher stattfinden. Wir alle werden lernen müssen damit umzugehen.

Ich persönlich sehe diese Entwicklung übrigens sehr positiv, da der klassische Rhythmus einer Woche schon längst widerlegt ist und die Sinnhaftigkeit eines so strammen Korsetts wahrlich in Frage gestellt wurde. Fakt ist: Kein Mensch auf der Welt bringt acht Stunden lang Spitzenleistung. Nur ist das alles scheinbar den Wenigsten bewusst. Es ist Zeit für ein Umdenken!

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