Zwischenruf: Schotten, Fußballmannschaften und Osttirol

Was haben diese drei unterschiedlichen Begriffe gemein? Nichts – und doch verbindet sie viel mehr, als auf den ersten Blick zu vermuten ist.

Die Schotten sind ein sehr stolzes Volk mit einer langen Tradition im Norden des vereinigten, englischen Königreichs. Bereits um 1050 n. Chr. verstärkte sich der englische Einfluss in Schottland. Um ihren Einfluss dauerhaft zu etablieren, war den englischen Königen wenig an der Einigkeit der Schotten gelegen. Mit verschiedenen Mitteln versuchten sie, Streitigkeiten unter den Clanfürsten zu schüren. Manche standen auf der Gehaltsliste Englands, würde man heute sagen. Ein gekonnter Meister im Säen von Zwietracht war beispielsweise Edward l. Vielen dürfte der König auch unter dem Namen Lord Edward Longshanks bekannt sein aus dem Film „Braveheart“. Was für eine geistige Haltung Edward l. hatte, verdeutlicht dieser Ausspruch, der ihm nachgesagt wird: „Schickt Iren gegen die Schotten. Sie sind günstiger als englische Pfeile.“

Die Brücke von den Schotten zum Fußball zu schlagen, fällt leicht, da diese Fußball lieben. Jedoch haben andere europäische Nationalmannschaften siegreichere Teams. Eine Mannschaft, die immer wieder zu den Favoriten zählt, ist Portugal. Der Star der Mannschaft heißt Cristiano Ronaldo. Fachleute sagen, das sei genau ihre Achillesferse. Zwar ist er einer der besten Spieler der Welt, aber das Spiel ist auf ihn abgestimmt und Ronaldo ist kein Teamplayer. Der große Erfolg ist mit ihm noch nicht gelungen. Die englische Nationalmannschaft hatte ebenfalls einen begnadeten Spieler in ihren Reihen, der allerdings mehr für sich spielte als fürs Team: David Beckham. Für sein Verhalten nahm ihn Nationaltrainer Ferguson 2000 aus dem Kader. Was passieren kann, wenn ein Team gute Spieler hat, aber die Regiearbeit unzulänglich ist, zeigte die deutsche Nationalmannschaft unter Nationaltrainer „Sir“ Erich Ribbeck. Unter seiner zweijährigen Leitung schied das deutsche Team bereits in der Vorrunde bei der Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden aus.

In Osttirol leben vielleicht ein bis zwei Schotten. Ebenso wird im Bezirk Fußball gespielt. Doch das sind nicht die Aspekte die Schotten, Fußball und Osttirol gemein haben. Die Beispiele zeigten Uneinigkeit aus verschiedenen Gründen, die Wachstum und Erfolge verhinderten. Andere profitierten davon, dass es keine Einigkeit gab, bzw. sorgten dafür, dass Streit, Missgunst oder Eigensinn erhalten bleibt. Dabei brauchten die externen Interessen gar nicht besser sein. Es reichte, dafür zu sorgen, dass entweder ein ganzes Volk, eine Mannschaft oder einzelne Spieler mit sich selbst mehr beschäftigt waren, als ihren Blick auf das Ganze zu richten. Das ist es, was Osttirol – bedauerlicherweise – mit den Beispielen in Verbindung bringt. Ein Südtiroler brachte es neulich auf den Punkt und ist der Anlass für diesen Zwischenruf: „Solange sich die Osttiroler untereinander streiten, ist die Welt für uns in Südtirol in Ordnung. Sicherlich streiten wir ebenfalls. Doch hört der Zwist auf, wenn es um unser Südtirol geht.“

Man könnte also sagen, Osttirol ist eine Fußballmannschaft mit schottischem Temperament und Spielern wie Ronaldo oder Beckham und einem Trainer wie Ribbeck. Im Bezirk sind Tradition und Wissen von Generationen vorhanden. Das ist im Prinzip ein solides Fundament. Ferner haben wir „Stars“, die in der nationalen und internationalen Liga spielen. Unter den bedeutendsten Firmen sind einige Legionäre dabei, was man leicht übersieht. Dennoch haben alle Firmen zusammengenommen eine enorme Schlagkraft. Manche von ihnen mögen sich dessen bewusst sein und demonstrieren das entsprechend in ihrem Auftreten. In Summe fehlt gleichwohl dieses Bewusstsein um die wirtschaftliche Kraft. Das wirft die Frage nach einem adäquaten Trainer auf. Wer koordiniert die einzelnen Spieler, wer organisiert den SV Lienz? Lässt sich die Wirtschaft überhaupt vereinen? Braucht es eine Integrationsfigur? Franz Beckenbauer war kein Trainer der Weltmeistermannschaft von 1990. Er war Teamchef.

Die Hanse war eine der erfolgreichsten Handelsbünde und überdauerte Jahrhunderte. Genau genommen gibt es diesen Handelsbund noch immer und er funktioniert nach bewährten Prinzipien. Sinnbild dieser Vereinigung ist der ehrbare, hanseatische Kaufmann, der für Tradition, Werte und Kaufmannskunst steht. Einer dieser Werte lautete: „Concordia domi foris pax“ (Eintracht innen, draußen Friede). Vielleicht lässt sich das erfolgreiche Prinzip auf den Bezirk Lienz übertragen und aus dem SV Lienz wird die Eintracht Osttirol? Das Potenzial ist da – was fehlt, ist die Einigkeit.

Copyright Foto: www.fotolia.com   © scusi