Zwischenruf: Von Macht, Erfahrung und Alter als Argumentationsgrundlage

So manche Besetzung von Arbeitsstellen bzw. Posten ist interessant als Außenstehender oder Gemeindebürger mitzuverfolgen. Fragen kommen auf und das sogenannte Bauchhirn tendiert zu einer Bewertung Richtung „Freunderlwirtschaft“. Selbst bei intensiverer Analyse der Umstände bleibt es bei diesem flauen Gefühl. Schließlich erwächst die Erkenntnis: „Die werden schon wissen, was sie machen.“

Aus Gesprächen und eigenen Erfahrungen komme ich jedoch zu einer gegenteiligen Ansicht. Die Besetzung einiger Posten hat System. „Neue Besen kehren besser“, heißt es. Tatsache ist, mit der Neubelegung stellen sich bei Firmen sowie bei öffentlichen Institutionen keine spürbaren Erfolge ein. Mein Eindruck erhärtet sich in relativ kurzer Zeit, denn auch der neue Mann oder die neue Frau versucht nur den individuellen Nutzen zu maximieren, und zwar bei optimaler Bündelung von Machteinfluss.

Es werden Menschen an zentralen Schlüsselpositionen eingesetzt, die im Prinzip für etwas anderes ausgebildet worden sind. Um die Qualifikation geht es dabei gar nicht. Das Einzige was zählt: Netzwerk, Kontakte und das Wissen über andere, um damit Einfluss nehmen zu können. Böse ausgedrückt, um andere Menschen klein zu halten. Das ist die Grundrezeptur für einen ziemlich trockenen Kuchen. Sicherlich gab es das früher ebenfalls, doch momentan scheint diese Vorgehensweise Konjunktur zu haben.

Dieser neue „Kuchen“ darf dann von der Bevölkerung „genüsslich“ verspeist werden, sodass sie fast erstickt – aber eben nur fast. Solange diese Methode Erfolg hat, sich niemand dagegen auflehnt und sagt „Wir haben genug von diesem Verfahren!“, wird sich daran wirklich nichts ändern. Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht, um eine weitere Redewendung in diesem Zusammenhang zu verwenden.

In Schlüsselpositionen sitzen mittlerweile Leute, denen entweder das nötige Fachwissen fehlt, oder die aus unterschiedlichen Gründen überfordert sind. Selbstverständlich kommt noch die Komponente des persönlichen Charakters hinzu. So wird mangelnde Kompetenz oder ein eventueller Minderwertigkeitskomplex durch patriarchisches Agieren kompensiert. Statt im Teamwork zu arbeiten, wird alles alleine entschieden, denn andere können keine guten Ideen entwickeln oder sind einfach zu blöd. Es verwundert mich daher nicht, dass eine große Wirtschaftszeitung erst kürzlich den Umstand und seine Folgen analysierte, dass die meisten Topmanager wahre Narzissten sind.

Allein aus dieser Betrachtungsweise erschließt sich allmählich, warum sich aus solchen Konstellationen ein geschlossenes System entwickeln kann, in dem alle anderen Menschen nur Erfüllungsgehilfen sind. Wird ein Erfolg von einem Team erarbeitet, kommt dieser nur der Person im Zentrum des geschaffenen Systems zugute. Dieser Mensch ist die Sonne, um die sich alles dreht. Fällt der Erfolg jedoch negativ aus – kommt es zum Scheitern – wird aus dem Mittelpunkt der Macht heraus die Schuld verteilt. Findet sich kein Schuldiger, werden andere Einflüsse, wie Naturgewalten, generelle Tendenzen oder die Dummheit der Allgemeinheit für den Misserfolg verantwortlich gemacht.

Das ist der große Vorteil einer Schlüsselposition: den Misserfolg aufzuteilen, die Kritik unreflektiert abprallen zu lassen, respektive sich bei positiver Entwicklung entsprechend zu inszenieren. Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass sie mitunter über mehrere Jahre, sogar Jahrzehnte, ja bis zur Pension im Amt bleiben oder gar zu noch Höherem aufsteigen. Ein Rücktritt ist kategorisch ausgeschlossen, denn das würde Verlust des Ansehens sowie der Macht bedeuten. Erstaunlich ist ebenso, dass etliche von ihnen mit zunehmendem Alter zu wahren Propheten mutieren. Alter wird mit Erfahrung gleichgesetzt. Sie vereinen neben Fachwissen auch alle Weisheiten des „Universums“, was teilweise sehr bizarre Züge annehmen kann. Man kann anderer Ansicht sein, dennoch behaupte ich, dass Erfahrung und Alter nicht gleichzusetzen sind.

Alter per se hat nichts mit Weisheit, Erfahrung und sonstigem Wissen zu tun. Jeder Mensch wird aus rein biologischen Gründen älter. Das geschieht von allein und ohne aktives Handeln. Der Mensch fängt bereits mit dem 24. Lebensjahr an, abzubauen. Das ist das eine. Das andere ist, selbst wenn über sehr viel Berufserfahrung verfügt wird, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass man automatisch besser ist als jemand, der weniger Berufsjahre nachweisen kann.

Es kommt darauf an, was man aus seinen Kompetenzen macht. Eventuell ist man sogar mit weniger (Berufs-)Erfahrung so gescheit, um für die Lösung eines Problems andere Leute zu fragen und hierdurch ein Teamwork zu initiieren. Für viele ältere Menschen erscheint dies schwierig, da sie das Hierarchische gewohnt sind und somit wichtig für sie ist. Ein Chef muss Chef bleiben. Daran wird nicht gerüttelt. Doch gerade die frischen Ideen sind es oft, die etwas verändern. Der Vorteil von Jüngeren oder generell Menschen, die neu in einem Projekt oder an einem Arbeitsplatz sind, liegt darin, dass sie experimentierfreudig sind und der Alltagstrott sich noch nicht festgesetzt hat. Dinge und Sachverhalte werden hinterfragt: Da muss es noch einen anderen Weg geben!

Fazit: Solange Menschen in Schlüsselpositionen sitzen, die Mechanismen von Systemen kontrollieren, die sie zu ihren Gunsten ein- bzw. ausschalten, wird alles so bleiben, wie es ist. Mein Appell lautet daher, hier anzusetzen und das traurige „Kasperltheater“ zu beenden. Dazu müssen jedoch alle aufstehen und dazu übergehen, zu kooperieren, wenn etwas bewegt werden soll.

Falls jemand sich fragt, von welchem Unternehmen, welcher Organisation, Gemeinde, oder welchem Bezirk ich schreibe, so gibt es keine klare Antwort: Wohin man sieht, ist im Prinzip ohnehin dasselbe, oder?

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